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Pulsfeuer Keine Zeit mehr
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Kurzgeschichte

Keine Zeit mehr

Von Michael Yichao

VERFOLGUNG


Geschichte[]

VERFOLGUNG

Über mir explodieren zwei Energiegeschosse und Funken regnen herab. Ich renne weiter die Straße entlang. Hinter mir höre ich die Schritte des Chrono-Vollstreckers von den engstehenden Mauern widerhallen. Schnell. Erbarmungslos. Ich gebe es nicht gern zu, aber dieser Typ Typ ist definitiv schneller als ich …

Zum Glück habe ich ein paar Tricks in der Hinterhand.

An einer Kreuzung laufe ich zur Täuschung zwei Schritte rechts die Gasse hinunter, dann springe ich zurück, teleportiere mich über die Straße und sprinte in die andere Richtung. Eine klassische Finte – dieses Manöver habe ich glücklicherweise in unzähligen Verfolgungsjagden perfektioniert. Ein Pulsfeueranzug, der den Raum über kurze Distanz krümmen kann, ist gaaaanz schön praktisch.

Leider hat dieser Typ damit gerechnet. Wie kann das sein?

In einem Wimpernschlag steht er vor mir und feuert aus allen Rohren. Chrono-verstärkte Motorik. Das muss es sein. Ich reiße meine Arme hoch – immer schön das Gesicht schützen – und der erste Schuss prallt von meiner Armkanone ab. Der zweite trifft mich allerdings voll gegen die Brust und lässt mich nach hinten taumeln. Ich stolpere und falle hart auf den Boden. Ein Alarm heult los. Ich feuere auf gut Glück einen Schuss ab, doch der Vollstrecker weicht ihm mühelos aus. Seine Waffen sind jetzt auf mich gerichtet. Sie sind so nah, dass sie fast meine Nase kitzeln. Ich nehme die Hände hoch und puste mir eine struppige blonde Haarsträhne aus den Augen (interessanterweise bleibt bei Zeitreisen kaum Zeit für einen Haarschnitt). Ich will Zeit gewinnen, während mein Anzug versucht, die Waffensysteme wieder hochzufahren.

Der Vollstrecker funkelt mich durch sein Visier an. „Diesmal entkommst du nicht“, knurrt er. Ich stöhne auf. Also hat er bereits mein zukünftiges Ich getroffen – das erklärt, warum er meinen kleinen Trick schon kannte.

Memo an mich selbst: Denk dir neue Tricks aus.

„Deine Zeit ist abgelaufen, Ezreal Ezreal. Du hast genug Anomalien für ein ganzes Leben verursacht.“

Ich verziehe spöttisch den Mund. „Ist das dein Ernst? Du bist ein zeitreisender Vollstrecker der Erinnernden und was Besseres fällt dir nicht ein?“

Sein mürrischer Blick wird noch mürrischer.

„Du weißt, dass du einen Haufen Zeitflüchtlinge und -verbrecher festnehmen wirst, kannst dich deine ganze Karriere lang darauf vorbereiten und dann sagst du nur … ‚Deine Zeit ist abgelaufen‘?“

Er schaut jetzt nicht mehr mürrisch, sondern sehr finster drein und lehnt sich so weit nach vorne, dass ich die Hitze seiner Waffenläufe spüren kann. „Dein vorlautes Mundwerk wird dir auch nicht helfen, Rotzlöffel …“

Arkaner Sprung Arkaner Sprung wiederaufgeladen.Endlich! Pearls Stimme erklingt in meinen Ohren und ich lasse die Spaßbremse unhöflicherweise nicht ausreden, sondern springe hinter ihn.

Zumindest wollte ich hinter ihn springen.

Zuerst blitzt wie immer ein weißes Licht auf, doch der Kern meines Anzugs auf meiner Brust knistert und versprüht Funken, wo der Glückstreffer des Vollstreckers mich erwischt hat. Mit einem Ruck lande ich genau da, wo ich losgesprungen bin.

Oh-oh.

Knacks! Ich höre, wie meine Nase bricht, bevor ich es spüre. Dann sehe ich nur noch Sterne … Aber doch nicht ins Gesicht! Nicht cool! Ich kann das Surren seiner Waffen hören. … Absolut nicht cool.

Es ist Zeit für einen neuen Trick.

Ich überlade meine Kanone und verschieße eine massive Energiewelle. Der Vollstrecker duckt sich unter ihr weg (Im Ernst, wie schnell ist dieser Kerl?!). Allerdings pflügt die Welle durch die Straße, die Wände und Neonschilder – hoffentlich erwischt sie keine unschuldigen Passanten. Überall fliegen Schutt und Geröll durch die Luft.

Seit ich ein dummer Junge war, habe ich nicht mehr so tief in der Klemme gesteckt. Mittlerweile weiß ich aber wenigstens, wann man sich den Weg freischießt und wann man einfach verduftet.

„Wir müssen hier weg, Pearl“, keuche ich und robbe so schnell davon, wie ich kann. „Haben wir genug Saft für einen Sprung?“ Ich spüre feuchte Tropfen auf meinen Lippen und fahre mir mit einer behandschuhten Hand über das Gesicht. Ich blute. Meine Nase ist definitiv gebrochen. Wundervoll.

Chrono-Sprung instabil“, informiert mich Pearls ewig ruhige Stimme. „Pulsfeuerkern beschädigt.

„Du hast nicht Nein gesagt, also werte ich das mal als Ja!“ Ich ramme meine Hand in meine Armkanone und lasse sie einrasten. Das vertraute Rattern des Chrono-Sprungantriebs lässt sie vibrieren. Meine Finger geben aus Reflex Zielkoordinaten ein, doch ich halte inne. Nein. Ich kann nicht immer zurück zu ihm, damit er all meine Probleme löst. Außerdem habe ich gerade keine Lust auf seine selbstgefällige Visage …

Ein wütender Schrei. Ich werfe einen Blick über meine Schulter. Der Vollstrecker klettert zwischen Schutt und Staub hervor, seine Waffen feuern und schicken ein Trommelfeuer aus Energieschüssen in meine Richtung.

Mann, dem muss ich bei unserem Aufeinandertreffen ja richtig ans Bein gepisst haben. Auch wenn das erst noch passiert. Oder passiert sein wird?

… Zeitreisen sind so kompliziert.

Energiegeschosse dafür ziemlich unkompliziert. Ich lasse das Schicksal (also eigentlich Pearl) entscheiden, wohin es geht, und öffne vor mir das Portal. Anstatt der freien Sicht auf den Zielort flimmert allerdings ein undurchsichtiges blauweißes Rauschen über seine Oberfläche.

Keine Zeit zu verlieren. Ich stürze mich kopfüber ins Unbekannte. Wohin es auch geht, immer noch besser als ein verschmorter Ezreal.

Der Kern auf meiner Brust wackelt und schlingert, als ich die Schwelle überquere. Elektrizität dringt aus ihm heraus und ich falle in den Zeitstrom, der mich erwartet.

Jepp. Das ist ein Problem.

ÄGIDE

Er Er hat mich nicht bemerkt. Noch nicht.

Tarnung ist nicht gerade meine Stärke. Ich schieße lieber zuerst und stelle später die Fragen. Vielleicht auch nie. Aber wenn ich mir den aktuellen Zustand meines Pulsfeuerkerns so ansehe … Tja, ungewöhnliche Situationen erfordern nun mal ungewöhnliche Taktiken.

Er steht … einfach nur da. Den Schild an seiner Seite. Der Speer steckt im Boden vor ihm. Standhaft. Nachdenklich. Laaangweilig.

Nachdem ich in einer unglaublich ungemütlichen Dimension gelandet war (Moskitos sollten einfach nicht so groß sein), konnte Pearl genug Energie aus meinem beschädigten Kern ziehen, um auf die Chrono-Signatur eines Pulsfeuersignals in der Nähe aufzuspringen (also relativ gesehen in der Nähe). Gut für mich, schlecht für den Vollstrecker, dem ich gleich seinen Pulsfeuerkern abknöpfen werde.

Warum etwas reparieren, wenn man ein neues Exemplar steh… ähm, ausleihen kann?

Wie der Zufall es so viel, kannte ich diesen Vollstrecker. Pantheon. Ein richtiger Hüne. Eher mürrischer Typ: Floh im Ohr, wahrscheinlich total tragische Hintergrundgeschichte, blablabla.

Momentan steht er in den Trümmern eines Gebäudes, das ich nicht wiedererkenne. Ehrlich gesagt kommt mir diese ganze Dimension nicht wirklich bekannt vor – ein richtiger Schrottplatz. Einstürzende Bauten. Karge Vegetation. Überall Anzeichen für einen mechanisch-chemischen Konflikt. Ein Trauerspiel.

Ich springe direkt hinter ihn und drücke ihm die Armkanone sanft gegen den Hinterkopf. „Keine Bewegung“, knurre ich mit drohender Stimme.

Er erstarrt. Aus meiner Perspektive hinter ihm kann ich kaum sehen, wie sein Visier zirpt und surrt. Wahrscheinlich will er herausfinden, wer ich bin.

„Ezreal“, grummelt er.

„Wie läuft’s, Panth?“, frage ich ihn grinsend. Dann fällt mir wieder ein, dass ich ja aggressiv knurren wollte.

„Da habe ich doch die ganze Zeit nach dir gesucht und jetzt bist du von selbst aufgetaucht.“ Seine ruhigen Worte täuschen nicht über die Anspannung in seiner Stimme hinweg. Seine Kopfhaut zuckt, als er vor Zorn seine Zähne zusammenbeißt. Trotz seines Plaudertons weiß er genau, dass ich nur einmal niesen muss, um ihm sein wohl definiertes und unglaublich gutaussehendes Gesicht wegzupusten.

„Hör mal, Panth, wir hatten beim letzten Mal zwar dieses ganze Ding am Laufen“, beginne ich und beuge mich weiter vor. „Allerdings hab ich heute einfach nicht die Zeit für dich oder diese Einöde …“

„Du bist für diese Einöde verantwortlich.“ Sein Tonfall lässt mich innehalten. So schnörkellos, direkt und unumstößlich.

„Ähm, das glaube ich nicht.“ Ich weiß, dass er Zeit gewinnen will. Ich sollte mich nicht darauf einlassen. Ich habe dasselbe doch gerade erst mit dem letzten Vollstrecker abgezogen.

Aber ich kann nicht widerstehen.

„Ich erinnere mich für gewöhnlich an meine Eskapaden, vor allem wenn von einer Dimension nur Schutt und Asche übrigbleibt.“

„Rücksichtslose Abtrünnige wie du sind für all das hier verantwortlich.“ Pantheons Blick schweift über die verwüstete Landschaft vor uns und ich kann nicht anders, als ihm zu folgen. „Achtlose Zeitsprünge, die Paradoxe verursachen. Paradoxe, die Anomalien in die Raumzeit reißen. Und dann … kommen die Prätorianer.“

Mir läuft ein Schauer den Rücken hinunter. Prätorianer … hier …

Pantheon will aufstehen und ich hebe warnend meine Armkanone. Die Waffe summt bedrohlich. Er blinzelt nicht mal. „Das hier war einmal mein Zuhause. Dann haben sie mir alles genommen.“

Klar, ich gehe Risiken ein. Manchmal auch große. Aber ich bin nie achtlos. Allerdings habe ich auch schon das eine oder andere Paradox verursacht …

„Pantheon“, sage ich und senke meine Armkanone ein wenig.

Großer Fehler.

Pantheon stürzt sich auf mich. Ich drücke ab, bin jedoch den Bruchteil einer Sekunde zu spät – eine Energiebarriere umschließt seinen Schild. Er rammt mich und meine Nase bricht heute zum zweiten Mal. Ich bin benommen. Er streckt seine linke Hand aus und ruft seinen Speer zu sich. Ich komme kaum rechtzeitig wieder zu Sinnen, um seinem gnadenlosen Stoß auszuweichen.

„Du wirst dich vor den Erinnernden für deine Verbrechen verantworten!“, brüllt er.

Mist. Das ist aber ganz schön schnell schiefgegangen. Auf diesen Kampf will ich mich in meiner aktuellen Verfassung nicht einlassen. Pantheon schleudert seinen Speer und ich bringe meinen Anzug an seine Grenzen. Mit einem Sprung versuche ich, so weit wie möglich den Hügel hinaufzukommen.

Ich starte meine Armkanone, um einen Chrono-Sprung durchzuführen, und mein gesamter Anzug erzittert, als Pearl die Energie durch den beschädigten Kern leiten will. „Zeitsprungstabilität extrem kompromittiert, die Empfehlung laut Sicherheitsprotokollen lautet …“

Pantheons Speer saust auf mich zu und ich kann mich gerade noch rechtzeitig wegducken. Er kracht in die Überreste einer riesigen Steinstatue hinter mir und zerschmettert sie.

„Pearl! Sicherheitsprotokolle überschreiben! Sofort!“ Ich warte nicht auf eine Bestätigung, bevor ich mit meiner Armkanone ziele und abdrücke. Ein Gefühl der Erleichterung durchfährt mich, als ich die Schwelle des Portals überquere. Es hält aber nicht lange an, denn der ungebändigte Äther zwischen den Dimensionen zerrt sofort schmerzhaft an mir. Ich falle nach oben und stürze einem unbekannten Schicksal entgegen …

KONTER

Ich wache auf und schnappe nach Luft.

Alles tut weh. Als hätte man mich erst in die Waschmaschine und dann in den Trockner gesteckt.

Jemand hält meinen Kopf. Ich sehe das Gesicht einer Frau Frau über mir. Streng und ernst, doch in diesem Augenblick in echter Sorge.

„So ein Glück“, sagt sie. „Wir dachten schon, wir ’ätten disch bei diesem letsten Sprung verloren.“

„Wo …“ Ich will mich aufsetzen, doch ein Stromstoß aus dem Kern auf meiner Brust lässt die Muskeln meiner linken Seite verkrampfen und ich beiße vor Schmerz die Zähne zusammen.

„Das ist nischt gut“, sagt die Frau. „Wir ’aben nischt viel Seit. Er war direkt ’inter uns. Und der Prätorianerschwarm …“ Sie schüttelt den Kopf. „Lucian Lucian und Pantheon Pantheon sind vorausgegangen und Caitlyn Caitlyn klettert su einem guten Aussischtspunkt …“

Trotz der Schmerzen mühe ich mich ab, wieder auf die Beine zu kommen. Ich kenne zwei der drei Namen, die sie gerade erwähnt hat. Keinen der beiden hört man gerne aus dem Mund einer Fremden, wenn man nach einem Sturz durch unbekannte Zeit und unbekannten Raum wieder zu sich kommt.

Die Frau steht ebenfalls auf, streckt die Hände aus und versucht, mich zu beruhigen.

In welcher Zeit bin ich gelandet?“, frage ich und greife mir an die Brust. „Wer bist du?“

Ich mustere sie genau, bin nun aber noch verwirrter. Sie ist zweifellos eine Vollstreckerin. Die Chrono-Klinge an ihrer Seite. Der Pulsfeuerkern auf ihrem Anzug – der Form nach zu urteilen ein schlankeres, moderneres Modell. Die bescheuerte einzelne Schulterplatte an ihrer Uniform. So bescheuert. Eindeutig der Stil der Erinnernden.

Die Frau schaut ein wenig irritiert, dann reißt sie alarmiert die Augen auf. „Du bist nischt unser Ezreal“, sagt sie.

„Hör mal, Lady, ich bin Ezreals Ezreal, damit das klar ist.“ Ich sehe mich um. Ich befinde mich in einem seltsamen Korridor aus glattem, weißem, lebendigem Metall mit Chromakzenten. Blau glühende Lampen hängen in regelmäßigen Abständen an der Wand. Es ist fast so, als wären wir im Inneren eines Pulsfeueranzugs.

Mir läuft es vor Grauen kalt den Rücken hinunter. Das kann nicht sein. „Das … Ist das …?“

„Die Sitadelle der Erinnernden. Aber du solltest nischt ’ier sein. Isch weiß nischt, wo du ’erkommst, doch du musst ’ier weg, bevor du ankommst. Ähm, bevor das andere Du ankommt.“ Die Frau kneift die Augen zusammen. „Isch ’offe für disch, dass du kommst. Wenn du tot bist, bringe isch disch um.“

Ich schüttele den Kopf. „Ich habe keine Ahnung, wo ich bin oder in welcher Zeit“, erwidere ich und deute mit meiner Armkanone auf ihre Brust. „Aber ich werde mir jetzt deinen Pulsfeuerkern nehmen.“ Ich versuche mit letzter Kraft, bedrohlich zu klingen.

In diesem Augenblick gibt meine Armkanone den Geist auf. „Waffensysteme auf zehn Prozent Energie“, ertönt Pearl außergewöhnlich laut in meinem Ohr.

Dem Ausdruck ihres Gesichts nach zu urteilen hat die Frau sie ebenfalls gehört.

„Ah. Du bist definitiv aus der Vergangen’eit.“ Die Frau drückt mit zwei Fingern gegen ihr Nasenbein, als wollte sie Kopfschmerzen loswerden. „Isch ’abe vergessen, wie unerträglisch du warst.“

Ich verziehe auf niedliche Art mein Gesicht. „Ich bin nicht unerträglich. Ich bin charmant.“

Sie hält sofort inne, ihre Augen verengen sich zu Schlitzen und sie kommt direkt auf mich zu. Ich gehe einen Schritt zurück, doch sie ist schon zu nah und bohrt mir ihren Finger in die Brust.

Des’alb ’ast du mir gestern Nacht also diese Geschischte erzählt.“ Ihre Augen sind immer noch zu Schlitzen verengt. „Dass isch dir angeblisch schon swei Mal das Leben gerettet ’abe. Und dass isch es wieder tun werde, bevor das alles ’ier vorbei ist.“

„Hör mal, ich habe wirklich keinen Schimmer, wovon du redest …“

Sie wartet meine Antwort gar nicht erst ab, sondern packt mich an der Brustplatte meines Anzugs und steckt ihre Hand in meinen Kragen. Ich stoße einen überraschten Schrei aus, doch sie hat bereits irgendeinen Mechanismus ausgelöst. Der Kern auf meiner Brust dreht und öffnet sich und enthüllt sein Innenleben.

Okay. Sie macht das nicht zum ersten Mal.

Bevor ich protestieren kann, fahren Diagnostikknoten und Mikrowerkzeuge aus ihren Handschuhen und sie macht sich an die Arbeit.

„Repa… Reparierst du den Kern?“, stottere ich ungläubig.

„Du warst so ein ’ornochse. Meine Güte. So viel kaputt. ’ast du disch mit Lucian angelegt? Du ’ast disch mit Lucian angelegt. Unglaublisch, dass er disch nischt getötet ’at. Er war schon immer der bessere Schütze.“ Sie spricht gar nicht mehr mit mir, sondern murmelt bei der Arbeit nur noch vor sich hin. Ich versuche, stillzustehen – selbst ich weiß, dass man nicht herumhampelt, wenn ein chrono-krümmender Energiekern offen liegt.

Vom Ende des Korridors ertönt Lärm und das unmissverständliche Geräusch von Blasterschüssen. Ich runzle die Stirn und recke den Hals, um einen Blick zu erhaschen, doch die Frau zieht unwirsch an meinem Anzug.

„’alt. Still“, warnt sie mich.

Blaue Funken sprühen und kleine Rauchwolken steigen auf, dann lässt sie mich los und der Kern rastet wieder an seinem Platz ein. Ich blicke nach unten. Das Glühen ist dunkler als sonst, aber er versprüht nicht alle paar Sekunden elektrische Blitze.

„Er funktioniert …“, staune ich.

„Vielleischt noch für einen Sprung, bevor er gänzlisch serbrischt. Und nur vielleischt“, sagt sie. „Und jetst geh!“

Sie will gehen und hält dann inne. Sie steckt ihre Hand rasch in eine Tasche und wirft mir etwas zu. Ich fange es.

„Wenn du misch triffst, werde isch keine Gnade seigen“, meint sie. „Du musst mir das seigen. Sonst werde isch disch töten.“

Ich schaue mir das Objekt an. Es ist eine Münze mit einem Insigne – eine dünne Klinge über einer stilisierten Rose. Mir schießen so viele Fragen durch den Kopf. Doch Stimmen – gefolgt von Blasterschüssen – hallen vom Ende des Korridors wider.

„Das war das sweite Mal“, murmelt sie vor sich hin. „Keine Seit, das dritte Mal su erraten. Swei Mal muss reischen.“

„Nicht sehr beruhigend!“, rufe ich ihr hinterher, doch sie läuft schon davon. Sie ignoriert mich, rennt um eine Ecke und ist weg.

Ich tippe auf den Kern auf meiner Brust. Ein letzter Zeitsprung also. Anders geht es wohl nicht. Ich kenne nur noch eine Person, die mir vielleicht helfen kann. Anscheinend komme ich diesmal nicht an seiner selbstgefälligen Visage vorbei.

Ich wollte ihn wirklich nicht um einen Gefallen bitten. Schon wieder. Noch nicht. Was auch immer.

Ich seufze. „Pearl“, sage ich, „fahr den Anzug hoch.“ Ich ziele mit meiner Armkanone, drücke ab und wieder einmal öffnet sich ein Portal. „Zeit, Ekko Ekko einen Besuch abzustatten.“

ZEITSPULER

Habt ihr schon mal jemanden getroffen, der euch gerade so ähnlich war, dass ihr ihn oder sie ein bisschen gehasst habt? Wahrscheinlich weil euch dieser jemand ganz vielleicht all die kleinen Dinge vor Augen führt, die ihr an euch selbst nicht mögt? So ein bisschen?

Das ist bei mir und Ekko Ekko absolut nicht der Fall.

Mich stört einfach sein Iro.

„Du hast ‚Auf Nimmerwiedersehen‘ gesagt“, begrüßt er mich, ohne mich anzusehen.

„Ich weiß“, entgegne ich.

„‚Das war ja alles ganz nett, aber jetzt werden wir einander nie mehr wiedersehen. Ist wahrscheinlich besser so, wenn man alles bedenkt.‘“ Er dreht sich immer noch nicht um.

Ich beiße die Zähne zusammen. „Ja. Ich erinnere mich.“

„Das war vor vier Sekunden.“ Er legt den komischen Würfel hin, an dem er rumgespielt hat, und dreht sich endlich mit verschränkten Armen um. Mann, der ganze Ärger, den wir hatten, um an dieses Ding zu kommen.

„Für mich nicht. Ich war ewig weg.“ Ich höre selbst, wie weinerlich das klingt, und ich hasse es. „Ich musste … dich einfach in einer Zeit und an einem Ort finden, wo du bestimmt sein würdest.“

„Tja, so viel zu deinem supercoolen Abgang“, sagt er und ich möchte nichts lieber, als ihm das dumme Grinsen aus dem Gesicht zu wischen. „In welchen Schwierigkeiten steckst du diesmal?“

„Oh, nichts Besonderes“, erwidere ich, gehe die Stufen hinunter und drücke auf den verschiedenen Konsolen und Gerätschaften in seinem kleinen Unterschlupf herum. „Ich, ähm, ich habe mich eventuell mit einem Vollstrecker angelegt …“

„Erzähl mir was Neues.“

„Und vielleicht habe ich eine Abreibung bekommen …“

„Finger weg.“ Meine Hand hält kurz vor einer Topfpflanze inne, die in einem isolierten Zeitfeld schwebt. Ich sehe zu, wie aus der Blüte die Knospe und dann ein neuer Sprössling wird und sie dann wieder zurückaltert, alles in derselben Zeitlinie. Irgendwie kollabieren alle Eventualitäten, ohne dass neue Anomalien entstehen. Chronobrecher Chronobrecher, nannte es Ekko. Ich kann nicht anders, als den Kopf zu schütteln. Nicht einmal die Pulsfeuertechnologie wäre dazu fähig – und die Vollstrecker wahrscheinlich auch nicht. Es ist einfach genial.

Ich hasse es.

„Mein Pulsfeuerkern ist verkohlt und ich brauche einen neuen.“ Bei der Vollstreckerin hat es mit Ehrlichkeit ja gut geklappt, warum es also nicht auch an Ekko ausprobieren. „Hast du hier einen rumliegen?“

Ekko lacht. Ich schaue ihn finster an. Er lacht mich nicht aus – ich habe schon genug mit dem Witzbold durchgemacht, um den Unterschied zu kennen –, aber es wurmt mich trotzdem.

„Okay, klar, verstehe. Kannst du meinen dann reparieren?“

Er kommt auf mich zu, beugt sich vor und untersucht meinen Brustpanzer. „Oh Mann, diesen Schrotthaufen? Machst du Witze? Hast du damit einen Blasterschuss abgefangen, oder was?“

„… Kann schon sein.“

Er sieht mich mit offenem Mund an. „Immer schön den Kern schützen!“

„Immer schön das Gesicht schützen!“, korrigiere ich ihn.

„Sieht nicht so aus, als wärst du damit besser gefahren“, kontert er verächtlich. Er tippt auf meine (sehr gebrochene) Nase und ich wimmere.

Ein bisschen. „Kannst du mir dann einen neuen bauen?“ Ich verzweifle langsam … und Ekko schüttelt schon den Kopf. „Warum nicht? Du hast deinen Anzug doch auch komplett selbst gebaut!“

Er zuckt mit den Schultern. „Mag ja sein, aber ich hatte trotzdem einen Kristallkern, den ich einem Vollstrecker abgenommen hatte. So wie du.“

Unglaublich. Selbst für Ekko gibt es Grenzen.

Mir … Mir gehen die Optionen aus.

Ich fühle mich taub und lasse mich auf einen Stuhl fallen. „Ich bin mit meinem letzten Zeitsprung hergekommen.“ Ich vergrabe meinen Kopf in den Händen. „Wenn du ihn nicht reparieren kannst … dann … war es das. Dann … lebe ich jetzt hier.“

„Kommt nicht in die Tüte.“ Ekko schnappt sich seine Maske vom Tisch mit dem Würfel. „Das ist das Schlimmste, was du je gesagt hast. Du bleibst nicht hier in meinem Zeitstrom. Ich helfe dir.“

Ich kann ihn nicht einmal ansehen. „Welche Optionen hab ich denn noch?“, frage ich ihn.

„Klau dir einen Kern.“

Ich schnalze frustriert mit der Zunge. „Das hab ich schon versucht. Ist schwerer, als du denkst.“

Ich höre, wie er herumklappert. Mit einem Klick schnallt er sich sein Chronobrecher-Pack auf den Rücken. „Wir müssen nur eine richtige Niete finden. Irgendeinen Vollpfosten, der es nicht kommen sieht“, erklärt er.

Er kommt zu mir und verpasst mir einen Stoß. Ich sehe auf. Er ist komplett gerüstet und aufbruchbereit. Nur, um mir zu helfen. Ich weiß, von welcher Eskapade er gerade erst zurückgekommen ist … Er muss immer noch erschöpft sein. Doch er schenkt mir dieses dumme Grinsen, das ich so hasse, und sagt: „Auf geht’s, Hohlkopf.“

Ich muss lächeln – doch mein Gesicht erstarrt auf halbem Weg.

Oh. Oh, verflucht. Das ist es! Ich bin ein Hohlkopf!

„Mann, ich hasse dich“, werfe ich ihm an den Kopf. Dann stürme ich auf ihn zu und drücke ihn fest an mich.

„Hey! HEY! Lass mich los!“, ruft er.

Er wehrt sich, doch ich lasse nicht los. „Wie lange bin ich schon hier?“

„Ungefähr eine Minute. Also viel zu lang“, entgegnet er.

Seine Hand ist in meinem Gesicht, doch ich packe ihm am Handgelenk. „Spule zu dem Zeitpunkt zurück, bevor ich aufgekreuzt bin.“

Er blinzelt. „Warum …“

Ich grinse ihn an. „Gib mir meinen letzten Chrono-Sprung zurück. Dann bist du mich wirklich für immer los, auf Nimmerwiedersehen, Ciao, Ciao, bla, bla.“ Ich will ihm mit meiner freien Hand den Iro tätscheln, doch diesmal packt er mich am Handgelenk.

„Lass. Meine. Haare. In. Frieden.“, sagt er mit schneidender Stimme.

Ich ziehe meine Hand zurück. „Ekko. Bitte. Ein letzter Gefallen. Nur noch einmal zurückspulen. Wie letztes Mal.“

Er lacht höhnisch. „Das letzte Mal war schon das letzte Mal. Außerdem weißt du genau, dass der Chronobrecher nicht für mehrere Personen konzipiert ist.“

Ich hole tief Luft. „Ich weiß. Und … irgendwann … werde ich mich revanchieren. Für all die letzten Male.“

„Du hast doch gesagt, dass wir uns nie wiedersehen“, seufzt er.

Ich zwinkere ihm zu. „Gib mir vier Sekunden.“

Ekko verdreht die Augen und greift mit der Hand nach dem Apparat auf seinem Rücken. „Du bist anstrengend“, sagt er und aktiviert sein Chronobrecher-Gerät.

„Danke, Ekko.“ Und mit einem Lächeln füge ich hinzu: „Ich schulde dir was.“

„Schon zum vierten Mal“, stellt er klar, zieht mich zu sich heran und an der Schnur. Die Welt um uns herum wird langsamer, steht still und wird dann immer schneller zurückgespult.

Mann, ich liebe diesen Typen.

FLUX

Der Regen strömt in Fluten herunter. Am Ende der Straße müht sich das schwache Glühen der Lampen ab, die Dunkelheit trotz des prasselnden Niederschlags zu durchdringen. Ich kann kaum sehen, was sich direkt vor meiner (immer noch sehr gebrochenen) Nase befindet. Jeder Partikel meines Körpers tut weh. Es donnert laut und meine Ohren klingeln. Ich bin völlig fertig. Aber das spielt keine Rolle.

Ich kenne diesen Augenblick und diesen Ort so gut, dass ich mich mit geschlossenen Augen durch ihn bewegen kann.

Vor mir schwingt eine Doppeltür auf und ein zerlumpter Junge stolpert aus einem Laden. Über seine Schultern hat er einen großen Sack geschwungen, sein Gesicht wird von der Kapuze seines schweren Umhangs verdeckt. Er sieht hinter sich und verschwendet wertvolle Sekunden, bevor er um den Block sprintet.

Ich hole tief Luft. „Pearl, starte den Timer.“ In meinem oberen Sichtfeld beginnt der Tracker zu ticken.

Eins eintausend. Zwei eintausend.

Eine gedrungene Gestalt kommt aus derselben Tür und rennt ihm hinterher. Ihre gezogene Waffe strahlt ein verräterisches blaues Leuchten aus und ihre weiße Rüstung reflektiert selbst im Regen die trüben Straßenlaternen.

Elf eintausend. Zwölf eintausend.

Ich beeile mich, nehme Abkürzungen, die ich zuletzt vor einem Lebensalter gesehen habe, die mir aber so vertraut sind wie Pearls Stimme in meinem Ohr. Ich habe nur ein sehr kleines Zeitfenster. Und wenn ich es vermassle … Ich schüttele den Kopf. Ich darf es nicht vermasseln.

Bald erreiche ich mein Ziel – ein finsteres, hoch aufragendes Gebäude. Ich finde die Feuerleiter, die ein gutes Stück über mir hängt. Ich nehme Anlauf, springe nach oben und erreiche sie gerade so. Meine Arme protestieren heftig, als ich mich nach oben ziehe. Jetzt liegen nur noch elf Treppenaufgänge vor mir.

Wenn ich das hier geschafft habe, gönne ich mir erst mal ein schönes langes Nickerchen.

Zweiunddreißig eintausend. Dreiunddreißig eintausend.

Ich schaffe es aufs Dach und kauere mich hinter die einfache Tür, über die man vom Gebäudeinneren Zugang hat. Tief geduckt nehme ich schnell dort meine Position ein, wo die Tür sich öffnen wird, und prüfe meinen Timer.

Noch ungefähr dreißig Sekunden.

Nur eine Chance, es richtig zu machen.

Fünfundvierzig eintausend. Sechsundvierzig eintausend.

Die Tür fliegt auf und der Junge von vorhin kommt heraus. Doch der Vollstrecker ist ihm auf den Fersen. Er streckt die Hand nach ihm aus und packt ihn am Arm. Ein Handgemenge. Ein Kampf. Der Junge verliert den Sack, der Sack wird nach hinten geschleudert. In meine Richtung.

Ich schnelle nach vorn, packe den Sack und greife auf der Suche nach meiner Belohnung hinein.

Ein Blasterschuss schallt durch den Regen.

Fünfundfünfzig eintausend. Sechsundfünfzig eintausend.

Zwei weitere Schüsse in schneller Abfolge. Nur das Scha-Scha-Scha des Regens. Dann der dumpfe Aufprall eines Körpers, der unten auf dem Boden aufschlägt.

Ich sollte mich nicht umsehen … und tue es trotzdem.

Der Junge steht da und hält einen Blaster in den zitternden Händen. Er geht langsam auf den Rand des Gebäudes zu und streift seine Kapuze zurück, um einen besseren Blick auf den leblosen Körper unter ihm zu erhaschen. Zottiges blondes Haar kommt zum Vorschein.

Was für ein Trottel. Ein richtiger Hohlkopf.

Ich ducke mich in mein Versteck und ringe mit dem Sack. Die Glocken in einem entfernten Turm läuten zwölf Mal – Mitternacht.

Ich öffne den Sack und ziehe den Pulsfeuerkern, der an den überkreuzten Gurten befestigt ist, sowie die synchronisierte Armkanone heraus. Sie sehen im Vergleich zu dem Anzug, den ich damals gebaut und modifiziert habe, kleiner und einfacher aus – doch sie bedeuten für mich immer noch dasselbe wie damals, als ich sie zum ersten Mal in die Finger bekam:

Freiheit.

Ich schnalle mir den Pulsfeuerkern über die Brust. Prüfe Pearls Countdown. Mein Ich aus der Vergangenheit wird gleich vom Rand des Gebäudes zurückkommen. Nach dem Sack suchen, der nach hinten gefallen war. Er wird nicht da sein. Mein Ich wird in Panik geraten, ihn dann aber an der nächsten Feuerleiter hängend finden, wo er, so unwahrscheinlich es auch sein mochte, hingerutscht und gelandet war – zumindest dachte ich das.

Ich gebe ein Ziel in die alte neue Armkanone aus dem Sack ein, ziele und drücke ab. Ein kristallklares Portal öffnet sich. Ich lächle.

Wir sind wieder im Geschäft.

Sicher, ich bin jetzt wortwörtlich doppelt auf geliehene Zeit unterwegs, die ich mir auch noch selbst geklaut habe. Und wenn ich den Kern nicht rechtzeitig in den Sack zurücklege, dann … Ich will an die nachfolgende Anomalie, die dem Multiversum ein Ende setzen würde, gar nicht erst denken. Ich sehe nach oben und beobachte, wie ich wieder in meine Richtung gehe. Es wird nur noch paar Sekunden dauern, bis ich sehe, dass der Sack nicht mehr da ist – ein Wimpernschlag.

Aber für Zeitreisende sind ein paar Sekunden … mehr als genug. Zumindest hoffe ich das.

Trivia[]

  • Ein Kapitel dieser Geschichte pro Woche wurde veröffentlicht.
    • Das erste erschien am 14.05.2020, während das letzte am 11.06.2020 veröffentlicht wurde.

Referenzen[]

Geschichte und Ereignisse
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